Acta Pacis Westphalicae III A 6 : Die Beratungen der Städtekurie Osnabrück: 1645 - 1649 / Günter Buchstab
106. 88. Sitzung des Städterats Osnabrück 1647 Mai 4 8 Uhr
106
Osnabrück 1647 Mai 4 8 Uhr
Strassburg AA 1144 fol. 366–368’ = Druckvorlage; Ulm A 1560 o. F.; vgl. ferner Bremen
2 – X. 8. m.
Kurmainzisches Drängen auf ein Conclusum in der Frage der jura statuum.
Anwesend: Straßburg, Frankfurt, Dortmund, Bremen auf der Rheinischen, Regensburg, Nürnberg,
Rothenburg [per Nürnberg] und Memmingen auf der Schwäbischen Bank.
Herr Director referirt: Es habe gestriges tags der Churmaintzische abge-
sandte herr Dr. Krebs zweymahl zu ihme geschickt und dasjenige, weßen
man sich an seitten der erbaren stätt, über denen jüngsthin zur consultation
außgestelten puncten, entschloßen haben möchte, begehren laßen. Weiln
aber dazumahl kein conclusum gefaßt worden seye, habe er auch keines von
sich stellen können. Gleichwohl aber, zu verhüttung eines oder des anderen
praejudicii dise entschuldigung loco conclusi überschicket, daß sich die stät
tische herren abgesandten dazumahl in völliger anzahl nicht beysammen
gefunden und deßwegen die anwesende proponirte, der stände jura concerni-
rende schwärwichtige puncta materialiter anzugreiffen, bedencken getragen
hetten, mit angehängtem erbieten, daßelbe, sobaldt das collegium ergäntzt
sein werde, zu thun
Vgl. oben [ S. 502 Zeile 35–39 ] .
darumb ansuchen laßen, alß habe er zu dem ende dise zusammenkunfft
angestellt, damit man von dem werck selbsten reden und dem Churmaintzi-
schen directorio auff begehren mit einem concluso begegnen möchte. Soviel
er sonsten nachricht habe, seyen in dem fürstenrath dreyerley meinungen
gefallen, etliche haben bey disen, die gravamina politica et jura statuum con-
cernirenden pässen, der herren Kayserlichen auffsatz, andere aber der herren
Schwedischen project, doch mit gewißen temperamentis, zu beharren ver-
meint , die dritten aber dafür gehalten, daß man des außgangs der zwischen
beeden tractirenden partheyen obschwebenden conferenzen und wie weit sie
das werck in denselben bringen möchten, erwartten solle. Was nun auch diß
orths dabey zu thun sein wolle, stehe zu der herren abgesandten belieben, die
sich ohnbeschwärdt darüber vernemen laßen köndten.
Frankfurt sagt: Er habe in fernerer erwegung so viel befunden, daß sachen
von großer importanz darunder begriffen seyen, welche theils Ihre Kayser-
liche Majestät, theils das churfürstliche collegium, theils aber auch, und zwar
die meisten, gesambte stände des reichs touchiren. Nun seye er dahin instru-
irt , sich zu verwahren, daß er nichts zu praejudiz der höheren collegiorum
votire oder verhandle, sondern seine consilia und absehen soviel möglich da-
hin dirigire, damit es bey den constitutionibus imperii und dem alten herkom-
men sein verbleibens haben möge. Weiln man nun erinnere, daß in solchen
wichtigen geschäfften auff die höhere zu sehen, jederzeit herkommens ge-
wesen seye, alß gehe deme zuvolch seine meinung dahin, weiln im fürsten
rath per majora geschloßen worden, daß man sich materialiter noch zur zeit
nicht außlaßen, sondern, wie weit es in denen zwischen denen herren Kay-
serlichen und Schwedischen obschwebenden tractaten selbsten gebracht und
resolvirt werden möchte, erwartten solle. Man köndte ihnen dißorths auch
adstipuliren und die herren Schwedischen, zu mahlen materia tractandi sehr
kützlich und weitreichend seye, das eiß vorhero brechen laßen. Wann man
aber sich bey einem und anderem puncten außzulaßen für rathsam befinden
solte, laße er es zwar dahin gestelt sein; halte aber dafür, es werde gar
glimpfflich geschehen müßen.
Regensburg. Er habe neulicher zeit gedacht, daß er über seine instruction
sich nicht vernemen laßen köndte; hielte also nochmahlen dafür, man
hette etlich wenig tag zu wartten und zu sehen, wie angeregte conferenzen
ablauffen werden, underdeßen aber und so lang mit denen herren fürstlichen
sich zu vergleichen, wolte sich aber auch, wann man itzt oder ein anderes-
mahl materialiter von der sachen zu reden lust hette, eventualiter mit denen
majoribus gerne conformiren. Sonsten haben die stätt wohl
ihnen ihre jura und angelegenheiten nicht noch schwärer machen.
Dortmund. Weiln er vorgehende vernünfftige vota dahin verstanden, daß
man bey disen, die höhere collegia mehreren theils betreffenden sachen,
wohin selbige incliniren werden, erwartten solte, alß laße man billich die
consultation biß dahin eingestelt verbleiben. Wolle sich also mit den obge-
dachten votis gerne vergleichen.
Nürnberg. Er habe jüngsthin bereits dafür gehalten, man habe nicht ursach,
in solchen pässen, welche das churfürstliche collegium und jura eligendi Im-
peratorem concerniren, sich so frühezeitig vor denen herren fürstlichen
heraußzulaßen. Seye auch noch der meinung. Und weiln zu besorgen, es
möchten die herren fürstlichen zimlich hart gehen, were guth, wann man
vorhero von ihren meinungen etwas nachricht erlangen köndte. Wolte man
aber je sich materialiter bey disem werck vernemen laßen, köndte eine
sonderung derjenigen puncten, welche die erbaren stätt allein concerniren
und denen, welche die höhere stände zugleich angehen, gemacht und von
denenselben die generalia allein vorgenommen werden. Alß da seindt die
ergäntzung der reichsmatricul, foedera, laudabiles consuetudines, imme-
dietates der stätt Eger, Erfurth und Oßnabruckh
Diesen und einigen anderen Mediatstädten (Magdeburg, Stralsund, Münster, Minden), die sich
z. T. weitgehend von landesherrlicher Bevormundung gelöst hatten, fehlte zur tatsächlichen Reichs-
unmittelbarkeit nur noch die Aufnahme in die Reichsmatrikel sowie Sitz und Stimme in der reichs
städtischen Kurie (zu Eger Strassburg AA 1141 fol. 35–49’; zu Erfurt Meiern II
S. 26–57 , weitere Denkschriften sowie Schreiben an Dr. Markus Otto vom 28. Oktober 1646 und
16. März 1647 in Strassburg AA 1141 fol. 2–34’; zu Osnabrück Meiern II S. 169 ff,
III S. 680ff, VI S. 208ff, weitere Bedenken und Schreiben an Dr. Markus Otto in Strassburg
AA 1141 fol. 96–149’; Literatur bei F. Dickmann S. 570).
monialgüther und andere dergleichen.
Bremen. Er seye zwar bey abhörung der proposition nicht gewesen, ver-
mercke aber auß abgelegten votis so viel, daß es umb die frag, ob man sich
über denen neulich a dictatura communicirten der herren Kayserlichen
monitis materialiter außlaßen und deliberiren solle, zu thun seye. Was nun
dise frag betreffe, seye er mit vorstimmenden votis insoweit einig, daß man,
was in superioribus collegiis für guth angesehen werden möchte, erwartten
solle. Wann man aber die nachricht hette, daß die herren fürstlichen materia-
lia vor die handt genommen, hielte er für nothwendig, daß auch stättischen
theils davon deliberiret würdte.
Rothenburg per Nürnberg. Weiln er verstanden, daß in disem löblichen
collegio jüngsthin für guth angesehen worden seye, sich bey mehr ange-
regten puncten materialiter ehe nicht außzulaßen, biß
lichen meinungen publica authoritate nachricht eingelangt seye, alß laße er es
auch bey selbigem concluso desto lieber bewenden, weiln die sachen an und
für sich selbsten also qualificirt, daß man der höheren gutachten darüber
billich zu erwartten, sonsten auch die deliberation von schlechtem effect sein
dörffte. Zu deme seye jederzeit styli gewesen, in solchen weit außsehenden
sachen der höheren stände sentiment zu erwartten und desto behutsamer zu
gehen. So habe auch der evangelischen schluß, daß die herren Schwedischen
angefangene tractaten mit denen herren Kayserlichen continuiren sollen, in
neulichkeit dahin geziehlet. Seye also res nicht mehr integra, sondern müße
bey solchem der evangelischen concluso sein verbleibens haben. Und ob-
wohln die herren catholici sich darob beschwären möchten, were ihnen
doch, daß vor disem dergleichen sachen mehr vorgeloffen seyen, zu remon-
striren . Indeßen aber dem Churmaintzischen directorio anzuzeigen, daß
man, wie der herren Kayserlichen und Schwedischen pflegende conferenzen
abgeloffen sein möchten, noch zur zeit keine nachricht erhalten hette.
Sonsten seye er wohl geneigt, sich über eines und anderes, was die stätt in
specie concernire, eventualiter vernemen zu laßen. Wolte daneben gebet-
ten haben, der herren Altenburgischen bey diser sachen gethane monita
ohnbeschwärt zur handt zu bringen.
Memmingen sagt: Weiln es sachen von großer wichtigkeit und die herren
fürstliche sich noch nicht darüber außgelaßen, habe man sich nicht zu über
eilen , er auch keinen expressen bevelch, wie er sich bey dem werck verhal-
ten solle. Deßwegen er sich dann mit denen majoribus conformiren wolle.
Herr Director. Er habe dise zusammenkunft angestelt, nicht so sehr von
den außgestelten puncten materialiter zu reden, alß zu vernemen, mit was
für einer resolution dem Churmaintzischen directorio auff ferner anmelden
zu begegnen sein möchte. Bevorab nachdem er bereits so viel nachricht
erlangt, daß wegen jüngsthin ad deliberandum vorgestelter puncten
zwischen denen herren Kayserlichen und Schwedischen verschiedene confe-
renzen
sich durch einen anderwertigen auffsatz etwas gelinder haben vernemen
laßen und die herren fürstlichen bey so beschaffenen sachen, sich darüber
ferner außzulaßen, biß dato eingestelt. Würdte sonsten eines, ohne das
andere zu berühren, sich nicht wohl thun laßen. Daneben aber eine ver-
gebene arbeit sein, von solchen dingen lang zu consultiren, welche bereits
erörtert seindt und ihre consistenz erlangt haben. Er wolle sich vielmehr
bemühen, nicht allein das Altenburgische votum, sondern auch das Münste
rische conclusum und was seidthero in mündlichen conferenzen abgehandelt
worden, zur handt zu bringen, damit man alßdann die sachen desto beßer
ansehen und die nothdurfft dabey beobachten könne.
Conclusum. Es hetten anwesende der erbaren frey- und reichsstätte räthe,
bottschaften und gesandten nicht ermangelt, über die am verwichenen frey-
tag zur consultation vorgestelte puncten sich materialiter außzulaßen, wo
nicht die nachricht eingelangt were, daß deretwegen zwischen denen herren
Kayserlichen und königlichen Schwedischen plenipotentiariis verschiedene
conferenzen in deßen gepflogen worden seyen.
Wann dann keineswegs zu zweiffeln, es werden obschwebende differentien
zum guthen theil und dergestalt gehoben sein, daß weitterer consultation
darüber nicht vonnöthen, alß hatt man, vergebliche bemühung zu ersparen,
für nicht ohndienlich angesehen, fernerer communication vorhero zu er-
wartten , und sodann erst die weittere gebühr dabey in acht zu nemen.